Die Debatte über die im Mittelalter an diversen Kirchengebäuden in Deutschland angebrachten „Judensau“-Reliefs ist nicht neu und beschäftigt unter anderem auch die Gerichte. Die aktuelle Situation hinsichtlich der Schmähplastik in Calbe (Saale) ruft bei uns jedoch Unverständnis hervor.
Die evangelische Kirchengemeinde Calbe als Eigentümerin der Sankt-Stephani-Kirche beabsichtigte, die im Zuge einer Gebäudesanierung abgenommene antisemitische Figur nach erfolgter Sanierung nicht wieder anzubringen. Die Erklärung dafür ist sehr plausibel: Die heutige Haltung der Gemeinde, hin zu einem Versöhnungsprozess zwischen den Religionen und der strikten Ablehnung von Antisemitismus in allen seinen Formen, macht ein Wiederanbringen des Reliefs einfach unmöglich. Die Gemeinde empfindet die Plastik als nicht mehr zeitgemäß und beleidigend.
Dem gegenüber steht die Position der Denkmalschutzbehörde, die sich kaum erklären lässt: Sie besteht auf das Wiederanbringen der mittelalterlichen antisemitischen Figur, da sie trotz des beleidigenden Charakters unter Denkmalschutz stehe. Allein der Gedanke, dass ein bereits entferntes, antisemitisches „Judensau“-Relief in der heutigen Zeit, im 21. Jahrhundert, erneut an einer Kirche angebracht wird, ist einfach unerträglich.
Eine alternative Lösung wäre, das Relief im Rahmen einer Ausstellung über Antisemitismus in einer musealen Einrichtung mit diesem Schwerpunkt oder in der Kirche selbst zu kontextualisieren.
Der Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt plädiert für eine einheitliche, bundesweite Lösung in allen ähnlichen Fällen. Erreicht werden könnte diese durch Gespräche zwischen Vertretern der Kirchen und den Beauftragten gegen Antisemitismus auf Bundes- und Landesebene.