Zum Inhalt springen

Chewra Kaddischa

Die Chewra Kaddischa (חֶבְרָה קַדִּישָׁא, „heilige Bruderschaft/Gesellschaft“) ist eine Gemeinschaft von Frauen und Männern innerhalb einer jüdischen Gemeinde, die sich bereit erklärt haben, sich um die Belange bei Tod und Trauer zu kümmern. Die Mitglieder der Chewra Kaddischa übernehmen ehrenamtlich die Vorbereitung und Organisation der Bestattung und die religiöse Begleitung während der gesamten Trauerzeit. Die Tätigkeit und deren Unterstützung wird religiös als sehr verdienstvoll angesehen und genießt höchste Anerkennung.

Die Chewra Kaddischa ist für folgende Aufgaben verantwortlich:

  • die Durchführung der Tahara (טָהֳרָה, „rituelle Reinheit“; rituelle Waschung des Leichnams),
  • die Bereitstellung der Tachrichim (תַּכְרִיכִים; Totenkleider),
  • die Bereitstellung eines den rituellen Vorschriften entsprechenden Sarges,
  • die Bereitstellung einer Kopftafel für das Grab,
  • die rituelle Abdeckung der Grabstätte.

Die Chewra Kaddischa weist das Beerdigungsinstitut in die religiösen Vorschriften ein und sorgt für deren Einhaltung.

Religiöser Hintergrund

Gemäß der jüdischen Tradition ist die Pflicht zur Beerdigung eines Verstorbenen eine g‑ttliche Verpflichtung. Wer sich mit dem Tod beschäftigt, sollte sich stets bewusst machen, dass es sich um eine heilige Angelegenheit handelt. Der jüdische Gelehrte Ramban (Nachmanides) schrieb hierzu, dass die Seele im Körper wie das Erinnern an Namen in der Tora ist. Daher wird der Körper des Menschen auch nach seinem Ableben als heilig betrachtet. Die Beschäftigung mit einem Verstorbenen erfordert einen ehrfürchtigen und umsichtigen Umgang.

In allen Generationen sahen Jüdinnen und Juden die Erfüllung der Mitzwa (מִצְוָה, „Gebot“), die Toten zu pflegen und ihre Ehre zu wahren, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, als eine große Ehre. Das wird beispielsweise in dem folgenden Vers deutlich, in dem es heißt: „Wer weisen Herzens, nimmt Gebote an.“ (Sprüche/Proverbia/Mischlej 10:8 – „חֲכַם־לֵב יִקַּח מִצְוֹת“).

Ein Friedhof wird auch als „Haus, in dem sich alles Lebende trifft“ (Ijob 30:23 – בֵית מוֹעֵד לְכָל־חָי), „ewiges Haus“ (Kohelet/Ecclesiastes 12:5 – בֵּית עוֹלָמוֹ) und „Haus des Lebens“ (בֵּית הַחַיִּים) bezeichnet. Die Vielzahl von Namen für den Friedhof zeigt die große Bedeutung dieses Ortes in der jüdischen Auffassung, wie sie auch im Buch Genesis (Bereschit) beschrieben ist (3:19): „Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück“ („כִּי־עָפָר אַתָּה וְאֶל־עָפָר תָּשׁוּב“). Dies macht deutlich, dass der Ort die nötige Reinheit und Heiligkeit aufweisen muss, um die „heiligen“ Körper der Verstorbenen zu empfangen.

Dem Friedhof werden die gleiche Heiligkeit und Ehre zugesprochen wie der Synagoge. Gemäß den jüdischen Weisen sind der Genuss sowie die Leichtfertigkeit auf Friedhöfen und in Synagogen verboten. Daher sind weder die Nahrungsaufnahme noch eine Arbeitsausübung, die nicht im Zusammenhang mit Verstorbenen steht, gestattet. Das Schneiden von Gras ist erlaubt, jedoch muss das Schnittgut im Anschluss verbrannt werden. Hinzu kommt, dass der Ort nur mit angemessener Kleidung und Kopfbedeckung betreten werden darf.

Es gibt zahlreiche Halachot (הֲלָכוֹת, „Gesetze“), die ein Besucher beim Betreten des Friedhofs beachten sollte. Um die Einhaltung der Halachot zu gewährleisten, wurde die Chewra Kaddischa (חֶבְרָה קַדִּישָׁא, „heilige Bruderschaft/Gesellschaft“) ins Leben gerufen. Diese Gruppe von Personen ist auf die Halachot rund um den Friedhof und die Verstorbenen spezialisiert und handelt dementsprechend. Die Chewra Kaddischa hat einen festen Mitarbeiterstab, der sich, unter Aufsicht eines Rabbiners, um alle Belange der Verstorbenen kümmert.

„Kadosch“ (קָדוֹשׁ, „heilig“) ist eine Bezeichnung, die ausschließlich dieser Gruppe zu Teil wurde. Die Frage, warum diese Gruppe den besonderen Beinamen erhielt, ist leicht zu beantworten: Sie übt wahre Wohltätigkeit aus. Was ist unter wahrer Wohltätigkeit zu verstehen? Raschi (Rabbi Schlomo ben Izchak) definiert sie wie folgt: Die Wohltätigkeit, die einem Toten entgegengebracht wird, ist die wahre Wohltätigkeit, denn es wird keine Gegenleistung erwartet (Midrasch, Bereschit Rabba 96, 47:29 / 96:5 – „חֶסֶד שֶׁעוֹשִׂין עִם הַמֵּתִים הוּא חֶסֶד שֶׁל אֱמֶת, שֶׁאֵינוֹ מְצַפֶּה לְתַשְׁלוּם גְּמוּל“).

Die früheste bekannte Beschreibung einer Chewra Kaddischa findet sich im Talmud. So berichtet Raw Hamnuna von einer Reise in den Süden, als er den Klang des Schofars wegen eines Todesfalls vernahm, die Menschen um ihn herum jedoch weiterhin ihrer Arbeit nachgingen. Er sprach, dass diese Menschen mit einem Bann belegt werden sollen. Denn die Halachot besagen, dass man seine Arbeit niederlegen muss, um sich um den Toten zu kümmern. Sie antworteten ihm, dass es in der Stadt eine „Gruppe von Menschen [= Beerdigungsverbindung]“ (חֲבוּרָתָא) gebe, worauf er erwiderte: „Wenn das so ist, mag der Bann aufgelöst sein [d.h.: ihr dürft weiter arbeiten].“ (Talmud, Moed Katan/Halbfeste 27b:13)