Wie es zu erwarten war hat der Kulturausschuss der Stadt Halle am 7. Oktober 2015 fast einstimmig die Entscheidung getroffen, den Namen der Emil-Abderhalden-Straße unverändert zu belassen. Das es zu diesem Entschluss kommen würde, war uns bereits nach Rücknahme des Umbenennungsantrages des OB fast offensichtlich. Die Art und Weise wie diese Entscheidung letztendlich getroffen wurde, ist für uns trotzdem sehr enttäuschend.
Die Jüdische Gemeinde zu Halle hat mit einem Schreiben an alle Mitglieder des Kulturausschusses vom 23.08.2015 zahlreiche Argumente dargelegt, die für eine Straßenumbenennung sprechen. Unsere Argumentation kann überzeugen oder auch nicht. Sie kann Zustimmung finden oder zu sachlichen Gegenargumenten anregen. Auf unsere Ausführungen hin gab es jedoch anstelle einer argumentativ fundierten Auseinandersetzung lediglich absolutes Stillschweigen und völlige Ignoranz. Uns wurde in krasser Manier eine kurze Lektion im Verwaltungsverfahren präsentiert: wie man sauber eine unangenehme Diskussion vermeidet.
Das einzige sachliche Argument das in der Sitzung – noch vor dem Geschäftsordnungsantrag zum Abbruch der Debatte – vorgetragen wurde, betraf die Signalwirkung einer solchen Umbenennung: Wenn die Straße wegen der umstrittenen Tätigkeit Emil Abderhaldens in der Nazizeit umbenannt würde, dann wäre in Folge dessen auch die Umbenennung zahlreicher weiterer Straßen und sogar der Universität konsequent. Denn auch Luthers antisemitischen Äußerungen sind besonders in den letzten Jahren zunehmend bekannt. Die Gegenargumentation lautete: „Jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten und man kann und darf nicht alles nur schwarz oder weiß sehen.“ Die Wohlfahrtstätigkeit Abderhaldens vor 1933 sei daher unumstritten verdienstwürdig.
Paradoxerweise trug diese Argumentation gerade jenes Mitglied des Kulturausschusses vor, das während der offenen Debatte zur Preisvergabe des Emil-L.-Fackenheim-Preises im Jahre 2004 an den Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes (IVVdN), Landesverband Sachsen-Anhalt, den entgegensetzten Standpunkt vertrat. Auch fragen wir uns: Wo blieb diese Argumentation bei Umbenennungen anderer Straßen, wie beispielsweise der Philipp-Müller-Straße (jetzt Willy-Brandt-Straße)? Solche Widersprüche ließen sich durch die Entwicklung eines allgemeinen Konzeptes für den Umgang mit Straßennamen vermeiden, das wir mit unserem Schreiben vom 23.08.2015 anregen wollten.
Wir bedauern die getroffene Entscheidung und hoffen sehr, dass das in diesem Fall angewandte Prozedere nicht als Muster für ähnliche Verfahren dienen wird, wie beispielsweise bei der Debatte um die Günther-Adolphi-Straße in Merseburg.